Sibylle Rommelspacher
Was kommt nach der Akuttherapie? – Orientierung zwischen Unsicherheit und neuer Stärke
Einleitung
Die medizinische Behandlung ist abgeschlossen. Die Termine werden weniger. Das Umfeld sagt: "Du hast es geschafft." Doch innerlich beginnt erst jetzt eine neue, oft herausfordernde Phase. Viele Menschen erleben die Zeit nach der Akuttherapie nicht als Erleichterung, sondern als Verunsicherung. Was nun? Wie weitermachen? Wer bin ich jetzt?
Dieser Artikel bietet Orientierung für die Phase nach der Akutbehandlung einer Krebserkrankung. Er benennt typische Erfahrungen, entlastet durch Einordnung und zeigt, wie Coaching helfen kann, den eigenen Weg in dieser neuen Lebensphase zu finden.
Zwischen den Welten
Die medizinische Phase ist abgeschlossen, aber die seelische Verarbeitung läuft weiter. Viele Betroffene fühlen sich in einem Zwischenraum: nicht mehr krank, aber auch nicht wirklich gesund. Diese Ambivalenz ist normal – und gleichzeitig schwer auszuhalten. Fragen tauchen auf:
- Wie finde ich zurück in meinen Alltag, meinen Beruf, mein soziales Umfeld?
- Was mache ich mit meiner Angst vor einem Rückfall?
- Wie gehe ich mit der Veränderung meines Körpers, meiner Energie, meiner Rolle um?
All das braucht Zeit, Reflexion und manchmal eine neue Sprache für das, was erlebt wurde.
Die innere Arbeit beginnt
In der Akutphase steht das Überleben im Vordergrund. Danach beginnt die innere Arbeit: Fragen nach Sinn, Identität, Zukunft und Verlust kommen an die Oberfläche. Viele Menschen stellen fest:
- Ich bin nicht mehr dieselbe Person wie vorher.
- Ich möchte mein Leben bewusster gestalten.
- Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.
Hier beginnt die Phase der Neuorientierung – keine schnelle Neuausrichtung, sondern ein behutsames, oft tastendes Neujustieren des Lebenskompasses.
Orientierung statt Ziel
Nach der Therapie gibt es oft einen Druck, "zurück zur Normalität" zu finden. Doch für viele ist das keine Option. Es geht nicht um Rückkehr, sondern um Neuorientierung. Was passt jetzt (noch)? Was nicht mehr? Welche Werte, Bedürfnisse und Beziehungen sind geblieben – welche haben sich verändert?
Coaching kann helfen, diesen Prozess zu begleiten: nicht als Zielcoaching, sondern als Klärungsraum. Es unterstützt dabei, Worte für neue Gefühle zu finden, Entscheidungen vorzubereiten und schrittweise ein tragfähiges Selbstbild zu entwickeln.
Emotionale Erlaubnis
Ein zentraler Aspekt dieser Phase ist die Erlaubnis, ambivalente Gefühle zu haben. Erleichterung und Angst, Dankbarkeit und Wut, Hoffnung und Erschöpfung können nebeneinander bestehen. Wer diese Gefühle nicht verdrängen muss, kann sich selbst besser annehmen und daraus neue Kraft entwickeln.
Auch hier ist Beziehung zentral: Ein professionelles, onkosensibles Coaching bietet Raum, ohne zu pathologisieren oder zu beschleunigen. Es schafft Verbindung, Orientierung und neue Wahlmöglichkeiten.
Fazit
Die Zeit nach der Akuttherapie ist keine „Rückkehr zur Normalität“, sondern eine Einladung zur Neuorientierung. Sie ist oft leise, langsam, widersprüchlich – und genau deshalb bedeutsam. Coaching kann diesen Prozess begleiten, ohne ihn zu steuern. Es bietet Halt, Klarheit und die Möglichkeit, inmitten der Unsicherheit neue Stärke zu entdecken.
Reflexionsimpuls
Welche Gedanken oder Gefühle zeigen sich bei mir, wenn ich an die Zeit nach der Therapie denke? Welche Veränderung in meinem Leben wäre mir im Moment wirklich wichtig?
Manches lässt sich im stillen Nachdenken bewegen. Und manches im Dialog. Beides darf Raum haben.